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FEHLER-MANAGEMENT ODER POSITIVES VERSTÄRKEN

Kennen Sie Vera F. Birkenbihl? Nein? Das macht gar nichts. Wir stellen Sie ihnen kurz vor: Vera Felicitas Birkenbihl war eine Management-Trainerin, also arbeitete sie u.A. als „Coach“, wie es heute geläufiger ist. Aber neben ihrer Tätigkeit als Trainerin bzw. Coach hatte sie großen Einfluss auf die Themen Lehre und Lernen. Über vierzig Jahre lang entwickelte sie Systeme und Ideen im Bereich „gehirn-gerechte Lehre und Lernen“. Dabei setzte sie sich bereits vor über 20 Jahren ganz stark für das individuelle Lernen im Gegensatz zum klassischen Schullernsystem ein. Vera F. Birkenbihl verstarb im Alter von 65 Jahren.

 

"Ein Fehler ist nicht ein Fehler, ist ein Fehler. Ein Fehler hat einen qualitativen Charakter!" (Vera F. Birkenbihl)

 

 

So sehen wir uns hier am Sonnenhof auf Youtube die alten Videos von Vera F. Birkenbihl an und versuchen, uns daraus auch Erkenntnisse und Handlungsweisen für unseren Alltag herauszuziehen.

Hier das Video "Intelligentes Fehler-Management":

 

 

Eines dieser Videos behandelt das Thema intelligentes Fehler-Management. Hierbei veranstaltet Birkenbihl zunächst ein Komponisten-Quiz, indem sie auf dem Keyboard vier Stücke vorspielt und die Zuschauer raten sollen, um welches Stück es sich handelt und von welchem Komponisten das jeweilige Stück ist. Dabei sollen die Teilnehmer ebenfalls notieren, wie sicher sie sich nach Prozenten sind. Natürlich darf auch notiert werden, wenn man überhaupt keine Ahnung hat, wem das Stück zuzuordnen ist. Nun ruft Birkenbihl gleich zu Beginn dazu auf, die eigene Gefühlswelt zu beobachten, sollte man feststellen, dass man mehrheitlich keine sichere Antwort hat. Sie weist nochmals daraufhin, dass es bei diesem Spiel um Fehler-Management geht.

 

„Es ist völlig okay, eine Lücke zu haben!“ und "...es gibt auch weniger gute Fehler..."

 

Worauf Birkenbihl mit diesem Spiel hinaus will ist, dass man selbstverständlich Bildungslücken aufweist, es dennoch aber ebenfalls zu betrachten gelten sollte, welche „Qualität“ diese Lücken haben. Denn das Komponisten-Spiel zeigt womöglich auf, dass man einen Mozartschüler als einen Mozart zu erkennen vermeint und somit der Spieler eine Ahnung davon hat, wie ein Mozart-Stück bzw. ein Mozart-ähnliches Stück klingt. Also handelt es sich hierbei um einen qualitativ guten Fehler, da man ja auch komplett daneben hätte liegen können bzw. gar keine Ahnung gehabt haben könnte. So ist bewiesen, dass der Spieler im Bereich Musik eine gewisse Bildung genossen hat. Bezeichnet man dieses Ergebnis nun als schlichtweg falsch, hat der Spieler das Gefühl im Allgemeinen im Bereich Musik ungebildet zu sein. Würde man hier jedoch positiv verstärkend sagen, der Spiele liege mit seinem Tipp zwar daneben, habe aber die Ähnlichkeit richtig erkannt, so wäre das subjektive empfinden dieser Bewertung ebenfalls positiver und würde ermutigen weiter zu lernen.

 

Und in der Realität?

 

Nun sieht es in der Realität des schulischen Alltags natürlich anders aus. Hier lässt das aktuelle Bildungssystem einfach keinen Spielraum für diese Art Fehler-Management. Manche Lehrer geben im Fach Mathematik nicht einmal Teilpunkte für den richtigen Lösungsansatz. Aber nur weil unser Bildungssystem in diesem Punkt in gewisser Weise versagt, heißt das nicht, dass wir Pädagogen oder auch Eltern nicht nach diesem Fehler-Management erziehen können. Auch Birkenbihl formuliert diesen Wunsch, indem sie sagt, sie wünsche sich, dass Lehrer nicht nur ihr Textbuch, sondern auch ihr Fach verstehen würden.

Pädagogik sollte darauf abzielen, Kindern Wissen nicht nur kindgerecht, sondern auch gehirn-gerecht zu vermitteln. Und ein jedes Hirn ist nunmal anders "verkabelt". Weiterhin ruft sie dazu auf, wieder den Mut zum Raten zu haben. Dabei kennt wahrscheinlich ein jeder von uns noch den Satz aus seiner eigenen Schulzeit: " Nicht raten, sondern wissen!". Aber selbst Sokrates soll schon formuliert haben: "Ich weiß, dass ich nichts weiß!". Und seien wir mal ehrlich, kann man es denn tatsächlich Wissen nennen, wenn ein Schüler dazu gezwungen ist, seitenweise auswendig zu lernen, um dieses ganze "Wissen" dann zwei Tage später schon nicht mehr abrufen zu können?

 

Die drei Lektionen: Neutralität, Qualität und Management

 

Sie bringt uns drei Lektionen bei: Einmal, dass Wissenslücken neutral zu betrachten seien und dass es zu ermitteln gelte, welche Qualität diese Lücken haben. Und zu guter Letzt geht es darum, diese Lücken zu managen. Dabei soll die Frage gestellt werden, ob es okay ist, mit dieser Lücke zu leben oder ob man dieses lückenhafte Wissen auffüllen möchte. Möchte man also diese Wissenslücke schließen, dann geht es darum zu ermitteln, wie man individuell und gehirngerecht dieses Wissen erwerben kann. Um nochmal auf den Punkt "neutrales Betrachten" zu sprechen zu kommen. Zu Beginn forderte Birkenbihl dazu auf, sich nicht selbst schlecht zu bewerten, nur wiel aus Zufall oder gar Schicksal diese Bildungslücke besteht. Dies geschieht im schulischen Alltag leider allzu oft. Und selbstverständlich ist es in der Schule nicht ohne Konsequenzen umsetzbar beispielsweise zu sagen, man möchte seine Bildungslücke im Bereich Rechtschreibung behalten.

 

Identische Wissensnetze? Und das Recht zur Lücke!

 

Birkenbihl hat eine wunderbare Theorie bezüglich dieser Bildungslücken. Demnach verfügt jeder Mensch über ein Wissensnetz, das aus verschiedenen Fäden gewebt ist. Und diese Netze gleichen wir beispielsweise in der Schule gegenseitig ab. Stimmen diese sozusagen überein, kommt man auf das gleiche Ergebnis. Unterscheiden sich die Netze jedoch, so ist es wichtig festzustellen, dass es schlichtweg nichts mit Dummheit zu tun hat. Also bei einer Schularbeit nicht der Schüler dumm geantwortet oder gar der Lehrer blöd gefragt hat, sondern, dass – wie vorhin erwähnt – aus Zufall oder Schicksal hier eine Differenz besteht, die es wiederum gehirn-gerecht zu begleichen gilt. Es ist ganz wichtig hierbei zu erwähnen, dass ein jeder das Recht auf eine Bildungslücke hat und gleichzeitig auch das Recht, diese so schließen zu können, sodass es ohne großen Druck oder unter Strafandrohung geschieht.

 

Es kommt auf den Blickwinkel an

 

Hier auf dem Sonnenhof finden wir, manche Fehler funktionieren trotzdem! Wir haben ja das Glück, nicht, wie die die Lehrer in der Schule, einem strengen System zu unterliegen, das uns diktiert wurde. Wir haben unser eigenes System und unsere eigenen pädagogischen Ansätze. Selbstverständlich kennen unsere Kinder den Unterschied zwischen den Regeln einer Schule bzw. des Schulsystems, was nun beispielsweise das Fehler-Management betrifft. Aber sie wissen auch, dass wir sie hier am Sonnenhof als Individuen mit Fähigkeiten und Eigenschaften betrachten.

So versuchen wir, unseren gemeinsamen Alltag immer wertschätzend und positiv verstärkend zu gestalten. Auch wenn die Schulen kein Mittelmaß mehr kennen, also die guten Schüler hofieren und den schlechten das Gefühl des Versagens vermitteln. So wollen wir zeigen, dass wir alle Facetten betrachten und dabei helfen, aus Fehlern einen Lerneffekt und einen nutzen zu ziehen. Wir schreien hier nicht nur laut "Fehler", sondern wir betrachten gemeinsam, warum ist dieser Fehler passiert? Wir schauen uns die Art der Lücke genau an und halten es hier mit Vera F. Birkenbihl!

 

 

 

Quellen:

https://www.birkenbihl-akademie.net/philosophie-und-visionen/vera-f-birkenbihl/