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Die richtige Umgebung für das lernende Kind


Rudolf Steiner der Begründer der Waldorfpädagogik sagte einst: "Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Lehrer und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes."

Was genau bedeutet das aber für Erziehende oder Lehrende?

Eine kleine Anekdote


Die Quadratur des Kreis
Die Quadratur des Kreis

Heike Geiges (unsere Einrichtungsleiterin) hatte neulich ein Gespräch mit einem fünfzehnjährigen Jugendlichen. Im Wesentlichen kann der Inhalt des Gesprächs so wiedergegeben werden:

 

"Warum soll ich die Wahrheit sagen? Die Politiker lügen doch auch! Und zwar heftig. Ich zahle, wenn ich in zwei Jahren in den Beruf gehe, deren Sch**** mit meinen Steuern. Und alle wissen es und keiner macht was … weißt du was? Die können mich am Arsch lecken … ich arbeite nichts ... ich mach Hartz 4 ..."

 

Harte Ansichten eines Fünfzehnjährigen über seine Zukunft. Doch sind diese Worte völlig unreflektiert oder kann man seine Sichtweise auch etwas nachvollziehen?

Hierzu ein paar von Heikes gedanken


"Ich kann den [Jungen] sogar verstehen. Unsere Grundsätze, die wir versuchen unseren Kindern zu lehren, haben nichts mehr mit dem zu tun, was in der Welt passiert. D A S halte ich persönlich für die größte Herausforderung der Zeit und auch eine Anforderung an das eigene Bewußtsein. Denn wir können nicht die anderen ändern, nur uns selbst!"

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Werte und Normen, die wir als Eltern zuhause, als Erziehende in der Jugendhilfe oder auch als Lehrende in der Schule vermitteln oftmals mit der Realität kollidieren. Und sobald Kinder bzw. Judendliche in ein Alter kommen, indem sie selbst beginnen, sich eine Meinung zu bilden, kann natürlich genau dieser Effekt entstehen.

Und zwar, dass man in einer Art Trotzreaktion sagt, warum soll ich es besser machen?

Sozialer Frust führt zu Trotz


Was hier natürlich ebenfalls stark mitreinspielt, ist das soziale Umfeld. In sozial benachteiligten Milieus mit einer hohen Arbeitslosenrate sind gute Zukunftsperspektiven leider rar, sodass der Tenor in dieser Gesellschaftsschicht dem Staat gegenüber eher schlecht ausfällt, weil sich viele vom System alleine gelassen und verlassen fühlen. Und gibt es hier keine helfende Hand, niemanden der einen Plan hat oder den Weg weist, übersteigt die Frustration schnell die Motivation.

Der Auftrag an uns!


Was ist nun der Auftrag an uns in der Jugendhilfe oder an das Personal in der Schule? Zeiten ändern sich und Veränderung ist gut, denn was würden wir heute beispielsweise ohne Waschmaschine oder Antibiotika tun?

ABER! Werte und Normen leiden oftmals unter dem Komfort der Menschen bzw. unter Hab- und Profitgier. Und wer hat das größte Medienecho? Die Reichen und Schönen, denen es meist an nichts im Leben mangelt. Hier fehlt also auch vollkommen die Identifiaktionsmöglichkeit mit diesen Menschen. Und wenn solche Menschen im Fernsehen und im Internet auftreten und ihr Ding durchziehen (gefühlt) ohne Konsequenzen und dann eben niemand den Kindern und Jugendlichen vorlebt, wie man respektvoll miteinander umgeht und sich richtig um sich selbst und seine Mitmenschen kümmert, dann entsteht eben dieser schlimme Frust bzw. Trotz.

Wenn die Rose selbst sich schmückt, schmückt sie auch den Garten gut (Friedrich Rückert)


Im Leben ist es wichtig, auf sich selbst zu schauen! Was muss ich tun, damit ich eigenverantwortlich leben kann. Wie kann ich mein Leben unabhängig von anderen sinnvoll gestalten? Welche Ressourcen habe ich? Welche kann ich mir aneignen und wie gehe ich verantwortungsvoll damit um?

Und genau das müssen wir hier in der Jugendhilfe vermitteln, wenn ein Jugendlicher zu uns sagt, er möge doch lieber Harz 4 beziehen, wenn die da oben doch sowieso alle lügen würden.

Wir müssen unseren Schützlingen dabei helfen, sich selbst zu schmücken, dass sie aus dem inneren Respekt zu sich selbst, auch respektvoll mit anderen umgehen können.

Ebenfalls ist es die größte Herausforderung im Leben, seine eigenen Grenzen zu ziehen und sich dadurch auch von anderen abzugrenzen und im gesunden Maß einzufordern, was man selbst braucht.

Ja, die da oben machen nicht alles richtig, aber wir machen es richtig!


Das ist die Message, die wir den Schützlingen mitgeben müssen! Wir müssen die Umgebung für das lernende Kind sein. Die Umgebung, die die Rahmenbedingungen schafft trotz widriger Umstände das beste Selbst zu werden.