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HOMESCHOOLING IM GROSSEN STIL

Homeschooling im großen Stil 

 

Bei uns im Sonnenhof leben fünf schulpflichtige Kinder. An sich ist das keine wichtige Information bzw. keine Nachricht wert. In Pandemie-Zeiten allerdings hat diese Aussage für alle Schüler, Eltern und Lehrer eine ganz andere Bedeutung. Denn nun bedeutet dieser Satz zum Beispiel für uns, dass wir in der Einrichtung es bewerkstelligen müssen, dass der Stoff und die Übungen für fünf verschiedene Klassenstufen diesen fünf Kindern jeweils so gut wie möglich vermittelt werden können. Als Jugendhilfeeinrichtung ohne angeschlossene Schule mussten wir kreativ werden und haben uns dazu entschlossen, einen Schulcontainer zu besorgen.

 

Wie sieht unsere Ausgangsposition aus?

In der Jugendhilfe ist es weitestgehend auch Realität, dass die Kinder mit Lernschwächen, wie einer Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) oder eine Dyskalkulie (Rechenschwäche), zu kämpfen haben. Auch Entwicklungsverzögerungen oder andere psychologische Störungsbilder erschweren den Schulalltag.

Findet Schule im für uns normalen Rahmen statt, so sind die Lehrer ausgebildete Sonderpädagogen, die den Stoff adäquat vermitteln können. Aber wir (und als Einrichtung können wir uns glücklich schätzen, das ist uns bewusst) müssen nun mit unserem gewohnten Personalschlüssel, den wir sonst lediglich für Hausaufgabenbetreuung und den normalen Alltag einsetzen, das Schulumfeld komplett ersetzen.

Wir standen vor der Aufgabe, unseren Kindern den nötigen Raum, sowie die nötigen Ressourcen zu ermöglichen. Denn Homeschooling bedeutet viel mehr, als den Laptop oder das Tablet einzuschalten und zuzuhören, was der Lehrer sagt.

Nachdem wir zunächst das Erzieherzimmer kurzerhand zum Klassenzimmer umfunktioniert hatten – wir haben festgestellt, dass es wichtig ist, dem Lernen eigenen Raum zu bieten – wurde schnell deutlich, dass der Raum erstens doch von den Erziehern benötigt wird und zweitens der Regelschulbetrieb auf längere Sicht nicht möglich sein wird. So hat unsere Einrichtungsleiterin Heike Geiges entschieden einen echten Schulcontainer für die Einrichtung zu mieten.

Und das wirklich tolle an der Sache: Die Einrichtung wurde von der Grundschule Ellenstedt gespendet! So verfügen wir nun über einen echten Lehrerpult und fünf Schulbänke mit Stühlen. Vielen Dank nochmal!

 

 

Homeschooling-Alltag im Sonnenhof

 

Ein geregelter Alltag mit Struktur ist eines der wichtigsten Hilfsmittel, um ungewisse Zeiten, wie diese Pandemie, besser meistern zu können. Daher läuft bei uns der ganz normale Schulalltag weiter. Die Kinder stehen pünktlich auf, ziehen sich an, nach der Morgenroutine im Badezimmer gibt es Frühstück und dann geht es direkt rüber in den Schulcontainer.

Jeden Tag findet bei uns der Unterricht von 8 bis 12 Uhr in unserem Ersatzklassenzimmer statt. Immer ein*e Erzieher*in und unsere Praktikantin kümmern sich darum, dass alle Endgeräte funktionieren, das Material heruntergeladen oder ausgedruckt ist und dass unsere Kinder mit dem Lernstoff klarkommen. Unsere Praktikantin kümmert sich hauptsächlich um das Kind mit dem höchsten Betreuungsbedarf. Diese Eins-zu-eins-Betreuung ist unheimlich wertvoll, um diesem Kind zu ermöglichen, nicht komplett in ein Bildungsdefizit abzurutschen.

Verlassen die Kiner dann den Schulcontainer nach einem vollendenten Schultag, gewinnen sie räumlichen Abstand zum Lernumfeld und sie können sich genauso lösen, wie nach einem Schultag vor Ort in der Schule.

 

 

Wir peppen den Lernstand auf –

und vermitteln auch eigene Inhalte

 

Neben den Aufgaben, die für die Schule erledigt werden müssen, ist es uns ein Anliegen, über den pädagogischen Tellerrand hinauszuschauen. Während durch die Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus die Schulen nicht in vollem Umfang den Unterricht abhalten können, möchten wir den Kindern Inhalte vermitteln, die ihnen beispielsweise Vorbilder näherbringen können.

So haben wir uns durch ein Google Doodle inspirieren lassen und behandeln jetzt regelmäßig berühmte Persönlichkeiten und momentan im Fokus: berühmte Frauen.

Das Google-Doodle vom 2. Febraur 2021 war der türkischen Frauenärztin Safiye Ali anlässlich ihres 127. Geburtstags gewidmet. Ali wurde am 2. Februar 1894 in Istanbul geboren und war die erste praktizierende Ärztin im damaligen osmanische Reich, der heutigen Türkei. Sie widmete ihr Leben der Frauenmedizin und kümmerte sich aufopferungsvoll um werdende Müter und auch deren Säuglinge nach der Geburt. Weiterhin war sie die erste Lehrerin für Geburtshilfe und Gynäkologie in der Türkei, dabei gab sie ihr wissen wiederum an Frauen weiter.

Hier findet ihr das Doodle für Safiye Ali.

 

Auch Sport, Musik und Kunst dürfen nicht zu kurz kommen. Gerade der körperliche und künstlerische Ausgleich beflügelt die Kinderseele. So malen wir sehr viel im Moment, musizieren mit zum Teil selbstegbauten Instrumenten oder nutzen unser weitläufiges Gelände zur körperlichen Ertüchtigung.

Wir haben ja bereits des Öfteren über unsere Landschafts- und Gartenbauprojekte berichtet und auch diesen Bereich bauen wir nun in unseren Corona-Homeschooling-Alltag ein.

 

 

Was gesagt sein muss

 

Wir können nur erahnen, welche Mechanismen, Entscheidungen und Pläne im Hintergrund laufen, gefällt bzw. gemacht werden. ABER wir am Ende der Nahrungskette haben das Nachsehen, also die Kinder haben das Nachsehen. Denn die Schulen müssen nachrüsten. Manchmal werden Ressourcen vorausgesetzt, wie beispielsweise ein Drucker, die manche Familien einfach nicht aufweisen können. Hat man Kinder an verschiedenen Schulen, so können sich die Homeschooling-Voraussetzungen an allen unterscheiden, sodass man überhaupt keine einheitlichen Handlungsweisen hat. Man fühlt sich im Stich gelassen und auf sich alleine gestellt – und das bei so einem wichtigen Thema, wie Bildung. Bildung ist der Grundstein für die Lebensgrundlage von uns allen! Wir verlieren hier gerade eine Generation an gebildeten Bürgern, wenn das so weiter geht. Es gibt, wie immer, sehr engagierte Lehrer und Rektoren und es soll keine Leistung unterschlagen oder geschmälert werden, doch im Allgemeinen fragen wir uns, wo das hinführen soll? Wenn Homeschooling, dann bitte auf hohem Niveau. Es müssen Gelder frei werden, um ALLE Schüler mit dem Nötigen auszustatten!