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WER BIN ICH EIGENTLICH?

Urvertrauen! Das Schlagwort schlechthin, wenn es um Kindesentwicklung und Erziehung geht. Und genau dieses Urvertrauen ist stark gestört, wenn Eltern sich nicht adäquat um ihre Kinder kümmern. Wir hier am Sonnenhof fungieren als familienanaloge Einrichtung als Auffangbecken für genau diese Kinder, deren Urvertrauen zutiefst gestört ist. Aus dieser Störung erwachsen die unterschiedlichsten weiteren Störungs- und Entwicklungsprobleme, die es nun aufzuarbeiten gilt, um den Kindern doch noch einen Weg in ein eigenständiges und eigenverantwortliches Erwachsenenleben zu ermöglichen.

 

Die acht Stufen der Entwicklung nach Erik Erikson

 

Erik Erikson war ein deutsch-amerikanischer Psychologe, der gemeinsam mit seiner Frau Joan bekannt für deren Theorien zur psycho-sozialen Entwicklung wurde. Er erfand und prägte den Ausdruck Identitätskrise. Dieses Video der Sprouts Schulen veranschaulicht diese acht Stufen der psycho-sozialen Entwicklung kurz und prägnant:

Welche Stufen begleiten wir hier am Sonnenhof?

 

Momentan betreuen wir am Sonnenhof Kinder im Alter von fünf bis 16 Jahren. Somit wäre unser jüngstes Kind der Stufe der "Initiative vs. Schuldgefühl" und unser ältestes Kind bzw. ältester Jugendlicher der Stufe der "Ich-Identiät vs. Rollenverwirrung" zuzuordnen. Daher umfasst unsere pädagogische Aufgabe, zumindest nach Eriksen, die Stufen drei bis fünf. Da unser pädagogischer Ansatz nach Steiner und dessen Anthroposophie per se das Individuum und dessen ganz eigene Entwicklung in den Mittelpunkt stellt, stellt Eriksons Modell eine gute Stütze dar, nach der wir jedes Kind seinem Alter entsprechend ein wenig einzuordnen wissen. Wir verstehen sein Stufenmodell als Gedankenstütze, die uns nützliche Tipps gibt, um das Seelenleben des Kindes dem Alter entsprechend verstehen zu können. Was treibt es um, was muss es gerade erlernen?

 

Stufe 3 – Initiative vs. Schuldgefühl (4 bis 5 Jahre)

In dieser Phase bezieht sich Erkisen u.a. auf das Erlernen von beispielsweise Prinzipien und auch Grundgesetzen der Physik, das meistens bzw. zu großen Teilen im Kindergarten bzw. der Vorschule stattfindet. Die Kleinkinder ergreifen, wie der Stufenname schon sagt, die Initiative. Sie sind neugierig, in ihnen steckt Forscherdrang. In dieser Art Entdeckerphase beginnen die Kinder auch sich selbst und ihr Handeln zu hinterfragen. Sie brauchen Feedback. Und dieses Feedback muss von den Eltern gegeben werden. Eltern sind die Leuchttürme im Leben ihrer Kinder. Hier gilt es die Kinder zu bestärken und vor allem Raum für diesen Entdeckerdrang zu schaffen. Raum schaffen bedeutet, für das Kind da zu sein, aber es nun auch machen zu lassen. Es bedeutet eine sichere Umgebung für das Kind zu schaffen, in der defintiv Fehler erlaubt sind. Somit geht es um Zuspruch und Lob, aber auch darum Frustration zu begleiten und zu versuchen diese zu lenken, um sie in positiven Ehrgeiz umzuwandeln. Selbstverständlich testen Kinder in dieser Phase stark ihre Grenzen aus und erlernen, was richtig und falsch ist. Und dies geschieht eben auch über den Tadel durch die Eltern, der bei den Kindern nun auch die ersten Schuldgefühle auslösen kann bzw. wird. Es ist ein schmaler Grad, den Eltern hierbei beschreiten. Denn es ist nicht einfach Raum für Fehler zu lassen und genau so schwer ist es, Tadel auch positiv verstärkend zu übermitteln. Kinder brauchen Freiheit, aber auch gesunde Grenzen. Sie müssen lernen, was richtig und was falsch ist. Führt man sich all dies vor Augen wird deutlich, dass Kinder einen emotional tatsächlich sehr anstrengenden Alltag haben.

Wenn wir uns nun auf die Kinder- und Jugendhilfe beziehen, dann wird deutlich, dass die Eltern der Kinder unserer Einrichtung, gelinde gesagt, selbst so viele Probleme haben, dass sie es einfach nicht fertig brachten, ihren Kindern in dieser Phase adäquat beizustehen, sie anzuleiten und zu begleiten. Somit entstanden bei den Kindern eben in dieser Hinsicht und in Bezug auf Erikson Stufe Defizite, die es nun gilt auszugleichen.

 

Stufe 4 – Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl (5 bis 12 Jahre)

 

Die Kinder verstehen sich so langsam als Individuen und entdecken ihre wirklichen Interessen, abseits des Inputs der Eltern. Was macht mir Spaß und was passt gar nicht zu mir? Möchte ich das machen, was die anderen tun? Es wird den Kindern nun ein Anliegen zu zeigen, was sie können und je älter das Kind ist, möchte es zeigen, dass es die Anforderungen unserer Gesellschaft erfüllen kann. Und auch in dieser Stufe geht es um Anerkennung. Diese bekommen die Kinder nicht nur seitens der Eltern, sondern auch seitens der Lehrer oder Mitschüler und Freunde. Daraus ergibt sich, dass die Kinder auch hier wieder abhängig von ihren Vorbildern bzw. von Erwachsenen sind, die ihnen Mut zusprechen, dabei helfen Fehler zu beheben und sie anerkennen. Hierbei geht es um das Anerkennen des Indiviuums sowie der Leistung dessen. Werden die Kinder also hier klein gehalten und eher demotiviert, so ergbit sich genau das: Sie verlieren die Motivation. Sie möchten keinen zweiten Versuch starten oder sperren sich selbst, Neues zu erlernen.

Auch hier wird die Brisanz eines in sich ruhenden und funktionierenden Erwachsenen klar. Kann ein Erwachsener, also ein Lehrer oder ein Elternteil das nicht leisten, so verbaut er dem Kinde mitunter einen kleinen oder großen Teil seiner (schulischen) Zukunft. Wir oft hört man von Eltern, die massiven Notendruck ausüben, oder Lehrersprüchen, die bescheinigen, das Kind werde es zu nichts bringen. Dieser Druck bzw. diese Aussagen bleiben bis ins Erwachsenenalter im Gedächtnis.

Hier in unserer Einrichtung verbalisieren wir immer wieder, dass die Kinder alles können, wenn wir es gemeinsam anpacken. Wir versuchen sozusagen einen Neustart der Gefühle gewissen Situationen gegenüber, sodass die Kinder beispielsweise im schulischen Alltag wieder Vertrauen zu sich fassen. Hier arbeiten wir eng mit Psychologen und Psychotherpeuten zusammen, da vieles sich im Unterbewusstsein verbirgt und wir leider nicht den kompletten Werdegang des Kindes nachvollziehen können, den es vor dem Leben in unserer Einrichtung durchlaufen hat.

 

Stufe 5 – Ich-Identität vs. Rollenverwirrung (13 bis 19 Jahre)

 

Mittlerweile rücken bei den Jugendlichen die verschiedenen sozialen Rollen, die sie selbst innehaben in den Vordergund. Und das führt selbstverständlich auch zu inneren und äußeren Konflikten. So sind sie die Kinder ihrer Eltern, Schüler, Freunde, Studenten und natürlich auch Bürger. Die Konflikte, die hierbei entstehen, sind sogenannte Rollenkonflikte bzw. es handelt sich um Identitätskrisen, die viele durchlaufen.

Nun müssen wir Erwachsenen den Kindern wiederum die Möglichkeit geben, sich selbst zu entdecken und zu akzeptieren, wenn sie sich beispielsweise äußerlich verändern. Denn nun versuchen sie eben gezielt herauszufinden, wer sie sind oder sein wollen. Seien es nun Haare färben, ein Tattoo oder Piercing. Ein gewisser Kleidungsstil oder eine bestimmte Musikrichtung, die ihren eigenen Lebensstil mit sich bringt. Oftmals kann es Eltern dabei Angst und Bange werden und sie fühlen sich übefordert. Und genau jetzt ist Gelassenheit und Freiheit schenken angesagt. Kann der Jugendliche sich austesten (selbstverständlich gibt es hierbei noch Gesetze, Werte und Normen der Gesellschaft oder Familie), so wird er sich selbst in Ruhe verorten können und muss sich keiner ihn zu stark einschränkendne Kontrolle entziehen oder rebellieren.

Tatsächlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Jugendlichen unserer Einrichtung meist nicht so lange im eigentlichen Elternhaus aufwuchsen, sodass der Einfluss oder die Rolle der Eltern hierbei sich auf die geplanten Elternumgänge oder Telefonate beschränkt. Trotzdem kann auch dieser eher geringe Kontakt zu großer Einflussnahme seitens der Eltern führen. Aber hauptsächlich sind wir hier in der Einrichtung, also die Erzieher, dafür zuständig, die Jugendlichen hier adäquat zu begleiten.

 

Hier ein Text zum Stufenmodell nach Eriksen auf gedankenwelt.de.

 

Unser Fazit

 

Selbstverständlich ist Erik Eriksons Modell nur eines von vielen wertvollen Modellen bezüglich der psycho-sozialen Entwicklung des Menschen. Aber, wie bereits erwähnt, können wir hier am Sonnenhof sehr gut mit diesem Ansatz arbeiten. Daher war es uns ein Anliegen, euch dieses Modell ganz rudimentär und marginal vorzustellen!