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DU BIST GUT, SO WIE DU BIST!

"Du bist gut, so wie du bist!" Das ist einer meiner häufigsten Sätze hier bei der Arbeit mit den Kindern am Sonnenhof.

 

Doch dieser Satz kommt oft gefolgt von einem weiteren Satz, der leider mit einem "Aber" beginnt: "Aber du machst manchmal doofe Sachen!" Von welchen Situationen spreche ich? Ich glaube, das, was ich jetzt beschreibe, kennen alle Eltern, Erzieher und auch Lehrer. Einfach alle, die mit Kindern zu tun haben.

 

"Nein, ich fege die Terrasse nicht!"

 

Wir hier am Sonnenhof haben das Glück als kleine Einrichtung eine recht überschaubare Anzahl an Bewohnern zu haben. Nichtsdestotrotz muss ein jeder hier, wie in jeder Gemeinschaft, seinen Aufgaben nachkommen. So wird unter anderem auch jeden Tag ein Fege-Dienst verteilt. Nun trägt es sich natürlich öfter zu, dass die Kinder sich weigern, ihre Aufgaben zu erledigen. Aber auch das ist in einem gewissen Maße in Ordnung, wenn sie mit den Konsequenzen leben können. Denn wer seinen Teil des Gemeinschaftsvertrages nicht erfüllt, muss sich für diesen Tag in sein Zimmer zurückziehen. Da es unsere Regel ist, wer seinen Pflichten in der Gemeinschaft nicht nachkommt, darf seine Rechte in der Gemeinschaft nicht einfordern. Aber was ist, wenn dann die Konsequenzen nicht angenommen werden? Im Prinzip hat das Kind oder der Jugendliche sich dann unbewusst in eine ausweglose Situation manövriert: Denn es gibt nun kein Vor und auch kein Zurück mehr. Die Aufgabe möchte es nicht erledigen und die Konsequenz nicht tragen.

 

Und nun?

 

Das Einfachste für den Erzieher wäre es nun, dem Kind diesen Fehltritt einfach durchgehen zu lassen und die Hände in den Schoß zu legen. Aber genau hier fängt der Beruf des Erziehers an. Es ist Krisenmanagement angesagt. Zunächst ist es wichtig, dass man das Kind davon überzeugt, die Konsequenz zu akzeptieren: Das Kind muss also auf sein Zimmer! Natürlich wird es nun in den meisten Fällen lauter und man muss das ein oder andere Mal weghören, wenn im Streit seitens des Kindes Sätze fallen, die später zu einhundert Prozent bereut werden! Meistens werden hierbei seitens des Erziehers weitere Konsequenzen angedroht. Und am Ende ist es wahrscheinlich die Häufung an Strafmaßnahmen, die das Kind oder den Jugendlichen dazu bewegen, tatsächlich auf sein Zimmer zu gehen.

 

Die Aufarbeitung

 

Das Allerwichtigste ist es, immer wieder eine helfende Hand zu reichen!

 

Da ich nun schon eine Weile mit Kindern und Jugendlichen arbeite, war mir in dieser einen konkreten Situation bewusst, dass einfach ein, nennen wir es, "Stellevertreter-Streit" stattfand. Ich ließ das Kind also eine Stunde in seinem Zimmer wüten und brüten und habe mich dann vorsichtig herangewagt. Ich klopfte an und fragte einfach, als hätte es die Situation vorher nicht gegeben, was denn überhaupt los sei. In einer einfachen Welt hätte das Kind sich nun sofort geöffnet. Natürlich musste ich mich zunächst über viele Fragen und kleine Umwege herantasten. Und siehe da, wie ich es mir schon ein bisschen gedacht hatte, der letzte Elternumgang des Kindes hat es einfach sehr stark aufgewühlt.

 

Selbstverständlich besprechen wir Elternumgänge immer mit den Kindern. Jedoch sind es oft unbewusste Hebel, die das Kind aus dem Gleichgewicht bringen.

 

Und zum Schluss

 

Wir haben sehr lange über die Sorgen und Ängste des Kindes gesprochen und nach ein paar Tränen konnten wir dann wieder lachen. Ich habe meinem Sonnenhof-Kind gesagt, "Du bist gut so, wie du bist! Aber manchmal machst du halt doofe Sachen." Anschließend habe ich dann hinzugefügt, dass wir alle manchmal doofe Sachen machen und es nur darum geht, zu diesen "Fehltritten" zu stehen und bereit zu sein, es beim nächsten Mal besser zu machen!

 

Für diesen Tag haben wir den Fege-Dienst bleiben lassen. Und für den nächsten Tag vereinbart wieder bei Null anzufangen.